Anfang April erreichte uns ein Hilferuf von Pastor Vasile Ghica. Er sagte uns am Telefon, dass die Auswirkungen von Covid 19 in Rumänien viel gravierender sind als in Deutschland. „Bei uns werden mehr Menschen an Hunger sterben als an Corona.“ Warum?
Das rumänische Gesundheitssystem ist marode. Damit es nicht zu einem Kollaps kommt, wurde per Militärverordnung eine Ausgangssperre verhängt. Nur wer einen triftigen Grund nachweisen konnte, durfte sich im öffentlichen Raum bewegen. Menschen über 65 durften nur von 11 Uhr bis 13 Uhr auf die Straße. Innerhalb weniger Tage waren über eine Million Menschen in Rumänien arbeitslos. Hinzu kamen noch unzählig viele „Tagelöhner“, die als Straßenfeger, Schrottsammler, Müllsortierer etc. versuchen, ihre Familie zu ernähren. Sie haben schon in normalen Zeiten nicht viel zum Leben. Aber mit der Ausgangssperre sind für sie sämtliche Verdienstmöglichkeiten weggebrochen.
Wir konnten nur schnell per Email unsere Freunde und Partner informieren. Aber wir haben in den vergangenen Wochen eine beispiellose Unterstützung erfahren.
Seit dem 17. April 2020 werden fast täglich in verschiedenen Romasiedlungen Lebensmittel verteilt. Etwa zehn bis fünfzehn Männer aus Sacele organisieren die Hilfsaktionen. Kartoffeln, Maismehl, Öl, Mehl, Eier und Brot werden aus einem Lager geholt. In der Kirche werden Beutel für Familien und alte Menschen gepackt und anschließend verteilt.
Und diese Verteilung bewirkt noch viel mehr, als den Hunger zu stillen. Da wird in den Dörfern der soziale Frieden stabilisiert. Da werden Familienväter nicht kriminell, weil ihre Kinder etwas zu essen haben. Da bekommen Menschen neue Hoffnung, weil sie nicht vergessen sind.

+ In Racos war der Bürgermeister froh, dass Unterstützung kommt. Einige Tage vorher war der Lebensmittelladen gestürmt worden, weil die Menschen kein Geld und großen Hunger hatten.
+ In Codlea überwachte die Polizei anfangs sehr skeptisch die Verteilung. Am Abend vorher waren drei ihrer Kollegen bei einer Schlägerei in der Siedlung verletzt worden. Doch am Ende der friedlichen Verteilaktion kamen sie länger ins Gespräch und waren dankbar, dass jemand für sie und ihre verletzten Kollegen betete.
+ In Herculian fragte eine Frau: Warum gebt ihr uns auch zu essen, obwohl wir keine Christen sind?

Wenn Sie diesen Brief lesen, hat sich hoffentlich schon manches normalisiert und die Menschen können wieder selbst für sich sorgen. Denn Katastrophenhilfe ist nicht das Hauptanliegen unserer Arbeit. Aber vor dieser Not konnten wir nicht die Augen verschließen.
Ohne die großartige Hilfe unserer Freunde und vieler fremder Menschen wäre die Hilfe in diesem Umfang nicht möglich gewesen. Danke für Ihre Unterstützung! Danke für Ihr Vertrauen in unsere Arbeit! Das ist nicht selbstverständlich für uns. Gern geben wir deshalb den Dank von Pastor Vasile Ghica weiter.

Von Philadelphia (der Romakirche in Rumänien) für projekt LEBEN e.V., die Diakonie (Sachsen) und die Evangelisch(-Lutherische) Kirche (Sachsens)

Ich, Pastor Vasile Ghica, möchte Ihnen besonders für die Hingabe danken, die Gott in Ihr Herz für die Armen in Rumänien gelegt hat, die in dieser schwierigen Zeit etwas zu essen erhalten haben. Die Menschen waren sehr glücklich, als sie sahen, dass sie ein Paket bekommen; besonders diejenigen, die nicht gläubig sind.
Ich möchte mich im Namen aller Gemeinden bedanken, die in etwa 50-60 Roma-Dörfern waren und über 15.000 Pakete verteilt haben. Insgesamt etwa 60.000 Menschen haben ein Lebensmittelpaket erhalten. Einige Gemeinden erhielten zwei- bis dreimal (Budila, Garcini, Racos, Herculian).
Wir möchten, dass Gott Sie segnet und Sie für alles belohnt, was Sie für Rumänien und die Roma tun. Vielen Dank im Namen aller Menschen, die Sie dabei zum Lächeln gebracht haben.

Seien Sie gesegnet!!!

28.05.2020

Pastor Ghica Vasile